In diesem Teil versuche ich einige Eckpfeiler meines Denkens im Umgang mit Keramik dar zu legen.
Wenn man sich mit Keramik beschäftigt spielt die Zeit eine große Rolle. Zum einen ist die Herstellung von Töpfen eine der ältesten Kulturtechniken und kann auf eine über Zehntausend Jahre alte Geschichte zurückblicken, zum anderen muss man auch bedenken, dass gebrannter Ton den Schöpfer um einige Tausend Jahre überleben wird.
Die lange Geschichte der Keramikherstellung ist für mich eine riesige Fundgrube für Ideen, Formen und Richtlinien. Eine traditionelle Form, wie die der chinesischen Schultervase (Mei Ping Vase), wurde so oft wiederholt, bearbeitet, beschrieben und geprüft, dass sie einen gültigen Platz in der Welt gefunden hat. Es ist für mich eine Ehre an derartigen Formen zu arbeiten und meinen kleinen Teil zu ihrer Entwicklung beizutragen.
Die Frage nach der Zukunft stellt für mich eine große Herausforderung dar. Die die Dinge dich herstelle noch so lange in der Welt verbleiben, sollen sie auch die bestmöglichen Töppe sein, zu deren Herstellung ich fähig bin. Andererseits lädt diese Gedanke auch zu kindlichen Träumereien ein, dass zu einer Zeit in der ich selbst schon lange vermodert bin, sich jemand an der verbliebenen Scherbe meines Werkes erfreuen kann.
Die Verbindung zur Geschichte und das Schöpfen aus dem reichhaltigen Erfahrungsschatz keramischer Traditionen bilden eine wichtige Grundlage meiner Arbeit. Dieses, breit angelegte, „Lernen von den Alten“ ermöglicht mir persönliche Gefäße zu schaffen ohne in Gefahr zu geraten auf geschmäcklerische Abwege zu geraten.
Haupteinflüsse für mich sind:
- steinzeitliche Keramiken
- Auf Grund ihrer Ursprünglichkeit, frei von allzu bewusstem Denken, haben diese ersten Keramiken einen Reiz den man keinesfalls kopieren, aber doch bewundern und genießen kann
- chinesische Keramik der Tang (618- 907) und Sung (960 – 1279) Dynastien
- Die Kombination von technischem Fortschritt, einem hochentwickeltem Gesellschaftssystem und noch einem Hauch von Anfang machen diese Zeit für mich zu einer der Hochzeiten der Keramik. Schlichtheit, Strenge und Kraft der Form mit großartigen Glasuren.
- koreanische Keramik der Goryeo Dynastie (918 bis 1392)
- Assimilierung chinesischer Formen und Glasuren und Weiterentwicklung dieser, brachten ähnliche, aber doch eigenständige, Keramiker hervor. Vor allem in der Technik des Einlegens von weißen und schwarzen Engoben in die Oberfläche der Töpfe entwickelten die koreanischen Töpfer dieser Zeit eine nicht zu übertreffende Meisterschaft.
- europäische Keramik des Mittelalters
- Die traditionelle Bauernkeramik des europäischen Mittelalters strahlt eine Kraft und Lebendigkeit aus, die mich immer wieder fasziniert. Die Formen meiner Krüge orientieren sich stark an jenen Formen.
- britische Studiokeramik um Bernard Leach
- Ist eine zeitgenössische Strömung die mich stark beeinflusst. Bernard Leach versuchte, als in Hongkong geborener Engländer, eine Synthese zwischen der Keramik des Ostens und Westens zu schaffen. Weiterhin etablierte er wichtige Standards für handwerklich arbeitende Keramiker in Zeiten der industriellen Massenproduktion.
Wir leben in einer Zeit, in der es möglich ist Dinge in Sekundenschnelle, perfekt und gleichförmig zu produzieren. Es gibt Fabriken die jeden Tag Tausende von Töpfen ausspucken. Die Maschinen in diesen Fabriken arbeiten effizienter, schneller und präziser als es je einem Menschen möglich wäre. Keramische Produkte aus diesen Fabriken sind so preiswert, dass sich die meisten Menschen problemlos mit großen Mengen davon eindecken können.
Sollte ich, als Einzelmenschlein mit veralteter Technik, versuchen mit diesen Maschinen in Konkurrenz zu treten? Nein. Ich mache etwas völlig anderes. Mein Ziel ist es, etwas zu schaffen was in der rationalen Welt der Fabriken nicht klassifizierbar, nicht quantifizierbar und nicht machbar ist. Mein Ziel ist es ein paar wenige Töppe mit Lebendigkeit, mit einer Persönlichkeit zu schaffen.
Der Umgang mit Fehlern bei handgemachter Keramik variiert je nach Kulturkreis stark. Während in Japan jeder der typischen Fehler blumige Namen trägt und in einem Maße zelebriert wird, dass Keramiker dazu übergegangen sind diese bewusst herbei zu führen, landen Gefäße mit äußerlichen Makeln in Europa meistens im Müll oder werden als B-Ware billig verkauft.
Für mich machen die Fehlstellen einen Gefäßes oft einen großen Teil des Charmes desselben aus. Menschen sind nicht perfekt, warum sollen also unsere Töppe so dringend makellos sein? Auf der Oberfläche meiner Lieblingsteeschale klebt ein kleines Tonkörnchen, das anfangs seltsam aussah, aber mittlerweile habe ich bemerkt, wie meine Hände jeden Morgen nach genau nach diesem Krümel suchen.
Während meiner Arbeit versuche ich weder Fehler bewusst herbeizuführen noch versuche ich sie, wenn Sie passiert sind, zu verstecken. Die Materialien die ich verwende und meine Arbeitsweise leisten aber der Entstehung jener unverhofften, ungeplanten und bereichernden Fehler einen gewissen Vorschub.